Spiekeroog Plan B

Spiekeroog Plan B

Endlich geht es wieder an die Nordsee, und zwar nach Spiekeroog, eine der ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer mit einer Fläche von 28,25 km². Die höchste Erhebung ist die Weiße Düne (24,1m über NN) und die kürzeste Entfernung zum Festland in Luftlinie beträgt 5,6km. Auf der Insel leben ca. 760 Einwohner. Dagegen beträgt die Gästebettenzahl ca. 3.500. Alles spricht also dafür, dass wir, Matthias, Leander, Kieran, Marcel und Jens auf der Insel unterkommen werden. 

Jede Reise will, sollte, geplant werden. Termin: 28.04. – 01.05.2023. Unterkunft Zeltplatz Spiekeroog. Routenplanung: Neuharlingersiel – Spiekeroog, Spiekeroog Umrundung im Uhrzeigersinn, Umrundung Langeoog im Uhrzeigersinn, Spiekeroog – Neuharlingersiel.  Bei der Routenplanung gibt es einiges zu beachten.

Die Nordsee ist ein Gezeitenrevier. In Gezeitenrevieren gibt es regelmäßige Änderungen des Wasserstandes. Die Wassertiefe steigt ca. 6 Stunden lang an und fällt anschließend eben so lange ab. Mit den Gezeitentafeln oder Gezeitenkalender kann man die täglichen Hoch- und Niedrigwasserzeiten für bestimmte Orte weit im Voraus ermitteln, nicht aber die dazugehörigen Wasserhöhen. Stattdessen findet man die mittleren Hoch- (MHW) und Niedrigwasserhöhen (MNW). Auch findet man dort u.a. Angaben zu Mondphasen oder zu Spring-, Mitt- oder Nippzeiten. Zu Springzeiten muss man mit besonders hohem Hochwasser und einem besonders niedrigen Niedrigwasser rechnen, zu Nippzeiten kann man mit einem besonders hohen Niedrigwasser und einer besonders niedrigen Hochwasserhöhe rechnen. Die Mittzeit ist der dazwischenliegende Zeitraum mit ausgeglichenen Wasserhöhen. Das Wissen um den Wasserstand bei der Routenplanung in Gezeitenrevieren, wie dem Wattenmeer, ist wichtig, da große Gebiete trockenfallen. Bei Hochwasser sieht man von der Landseite aus bis zu den vorgelagerten Inseln nur Wasser. Bei Niedrigwasser ändert sich das Bild vollkommen. Nun sieht man große trockengefallene Flächen. Um u.a. immer genug Wasser unter dem Kajak zu haben, sollte man die Uhrzeiten von Hoch- und Niedrigwasser kennen.

Eine aktuelle Seekarte ist ein wichtiges Planungsinstrument. Aus ihr werden wesentliche Informationen entnommen u.a. Wassertiefen, Betonnung, Lichterkennung von Betonnungen bei Nacht, Wasserstraßen, Verkehrsgebiete, Verkehrsrichtung, Sperrzonen, Schutzräume, Leuchttürmen, Priele, Entfernungen, Kurse, markante Landmerkmale oder die Lage und Tiefe eines Wattenhochs.

Das Wetter ist eine der größeren unbekannten bei der Vorausplanung, spielt aber letztendlich eine sehr wichtige Rolle. Der Wind hat einen starken Einfluss auf das Geschehen auf der See. Je nachdem aus welcher Richtung, mit welcher Stärke oder wie lange und wo er weht, nimmt das Einfluss auf die See. Die durch die Gezeitenbewegung entstehende Strömung kann durch Wind deutlich verstärkt werden, es können sich hohe, langgezogene oder steile Wellen bilden, die in hoher Frequenz brechen können, manchmal auch außerhalb der sichtbaren Brandungszonen. Vor Beginn einer Kajaktour sollte deswegen immer der aktuelle Wetterbericht aufgerufen werden.

Nachdem nun die Eckpunkte unserer Reise geplant waren, konnte es losgehen. Matthias und ich trafen uns um 11:30 am Bootshaus. Wir betankten den Bus, füllten die notwendigen Papiere aus und luden die Kajaks sicher auf den Anhänger. Wir wollten um 13:00 losfahren, um gegen 18:00 in Neuharlingersiel an der Westrampe anzukommen. Am 28.04.2023 war dort um 18:05 Hochwasser (HW) und Nipptide. So hätten wir genug Zeit gehabt, die Boote an der Westrampe zu entladen und für die Überfahrt sicher zu beladen. Sonnenuntergang war um 20:54 Uhr.

So der Plan. Die erste Verspätung gleich zu Beginn. Wir fuhren erst gegen 14:00 los. Da ein langes Wochenende bevorstand und schlaue Menschen Wartungsarbeiten auf der A3 geplant hatten, staute sich der Verkehr entsprechend. Um den Stau zu umfahren, nahmen wir die Landstraße bis nach Wuppertal, denn dort holten wir Marcel ab. Mit Marcel an Bord schlingern wir die letzten 2 km durch enge Wuppertaler Gassen und fanden unseren Weg zurück auf die Landstraße - Hut ab vor Kierans Fahrkünsten. Die Autobahnen im Ruhrpott waren voll. Das Wetter spielte uns auch nicht so richtig in die Karten. Es war frisch, windig und regnerisch. Unser Navi gab die voraussichtliche Ankunftszeit mit 20:50 an. Das warf unseren Zeitplan über den Haufen. Nun musste Plan B gezogen werden. Die Westrampe soll bis ca. 2 Stunden nach HW für den Einstieg geeignet sein. Matthias fand die Alternative in seinem schlauen Büchlein. Wir steuerten nun auf die Ostrampe zu. Ein kurzes Telefonat mit dem Parkplatzbetreiber/-in, um mitzuteilen, dass wir den Bus nach 21:00 abstellen würden. Im Regen und bei ca. 4 bft Nordost Wind, beluden wir die Kajaks im Schutze der Kaimauer und ließen sie gegen 22:00 Uhr, nach einer abschließenden Besprechung und Blick auf den Wetterbericht, zu Wasser - direkt vor der grünen Frachtfähre mit ihrer großen Laderampe, die bedrohlich über uns schwebte und dadurch wie ein übergrößer „Packman“ aussah, der kurz davor war, fünf Kajaks zu Verschlingen und 500 Extrapunkte zu sammeln.

In absoluter Dunkelheit, bei Regen und mit entsprechendem Wind paddeln wir entlang des Leitdammes. Bei der Routenplanung hatten wir nicht auf eine Verspätung gehofft aber sie auch nicht ausgeschlossen. Deswegen kannten wir die nächtliche Befeuerung der Betonnung, die uns nach Spiekeroog leiten sollte.

Kurz hinter dem Leitdamm traten steuerbordseitig kleinere Wellen auf, die man aufgrund der Dunkelheit kaum sehen konnte. Sie ließen aber nach ca. 5 Minuten nach. Backbordseitig spürte man bei Eintauchen des Paddels hin und wieder den Wattboden. Die Lichtsignale der Steuerbord Tonnen (Grün) leiteten uns sicher in Richtung Spiekeroog. Nach zwei gelben Leuchtfeuern noch etwas Nordwestlich ans Spiekeroog entlang. Punktgenau und sicher landeten wir ca. 1 Sunde und 20 Minuten später unterhalb des Zeltplatzes an. Das wäre geschafft gewesen, wenn da nicht noch die Kajaks bis an den Strand gebracht werden mussten. Wir entschieden die Boote zu viert und mit Gurten an den Strand zu tragen. Inzwischen hatten wir den 29.05. Wir entluden die Kajaks und trugen unsere Klamotten auf den Zeltplatz. Zum Glück regnete es beim Zeltaufbau nicht mehr.

Nach einer erholsamen ersten Nacht und einem pompösen Frühstück warfen wir einen Blick auf den Wetterbericht und die Seekarten. Um 12:00, ca. eine Stunde vor NW, starteten wir zur Umrundung von Spiekeroog im Uhrzeigersinn. Mit entsprechend eingebauten Puffer und Pausenzeit wollten wir gegen 19:45 wieder am Zeltplatz anlanden. Kaum in den Kajaks sahen wir die ersten Wellen im Bereich der Robbenplate. Nicht sehr hoch aber immerhin hoch genug, um nach einem langen Winter Spaß in der Welle zu haben. Auf dem Meer oder der See zu paddeln macht Laue, aber in Wellen zu paddeln oder zu surfen, kann süchtig machen. So verbrauchten wir bereits am Anfang der Tour einen Teil des eingeplanten Puffers. Entlang der Spiekerooger Seeseite paddelten wir in Richtung Ostende der Insel. Ca. 2 Seemeilen vor dem angedachten Pausenplatz (nähe Betonnung AH 14) tat sich noch einmal eine tolle Chance auf, die Sucht zu befriedigen. Dabei kamen wir auch in den Genuss von Wiedereinstiegsübungen in der Brandung. Ich hatte bewusst meine Komfortzone verlassen und wurde so zum „Pechvogel“. Da wir den Wiedereinstieg als Gruppe vor Antritt der Fahrt im schönen Zündorfer Yachthafen geübt hatten, verlief er auch in der Brandung einwandfrei. Nach einer leicht verkürzten Pause, wir hatten bereits einen Großteil des errechneten Puffers aufgebraucht, ging es weiter in Richtung Betonnung AH 12, 10, 8, 4, 2B und 2A. Die Revierkundigen wissen nun, dass wir den längeren Rückweg durch das Spiekerooger Wattenfahrwasser wählten.

Das Wattenhoch, also die Wasserstelle mit der niedrigsten Wassertiefe und der längsten Trockenfallzeit auf unserer Route, passierten wir mit ausreichend Wasser unter den Kajaks. Kurz vor 20:00 erreichten wir den Zeltplatz. Um die Kohlenhydratspeicher aufzufüllen, ging Tag 2 mit einem herzhaften, selbstgekochten Nudelgericht und einer kurzen Routenbesprechung für den Folgetag zu Ende.

An Tag drei „Umrundung von Langeoog im Uhrzeigersinn“, starteten wir um 08:30 nach einem genüsslichen Frühstück. Teetrinker stärkten sich mit Tee, die Kaffeetrinker mit Matthias Special Kaffeeaufguss und die Saftbegeisterten mit O—Saft, pur aus der Flasche.

In sicherer Entfernung zum Vogelschutzgebiet und Zone 1 paddelten wir mit ablaufendem Wasser im Langeooger Wattenfahrwasser. Mit dem Passieren der doppelten Prigge ließen wir das Wattenhoch hinter uns. Das Wattenmeer war spiegelglatt - kaum Wind auf der Wattseite. Das gab die Möglichkeit für gute Unterhaltungen.

Im Gatt, zwischen Langeoog und Baltrum, änderte sich die Lage deutlich. Durch das ablaufende Wasser und den Wind, der aus Nordwestlicher Richtung wehte, wurde das Wasser an bestimmten Stellen im Gatt sehr unruhig. Es bildeten sich nicht unerhebliche Wellen, die aus allen Richtungen zu kommen schienen, aber nicht brachen. Ich glaube, man nennt das wohl kabbeliges Wasser. Und da war es wieder, dieses unglaubliche Gefühl nach mehr Welle und Brandung.

Ohne Pechvogel oder Retter gelangen wir in und durch die erste Brandungszone. Die Wellen waren inzwischen beachtlicher geworden. Planmäßig legten wir kurz hinter dem Sperrgebiet auf der westlichen Seeseite am Strand von Langeoog zur Pause an. Ein weiteres Paddlerpaar hatte sich ebenfalls für unseren Pausenplatz entschieden. 7 Seekajaks am Strand ziehen neugierige Blicke und viele fragende Touristen an. Auch der „Fliegende Langeooger Reporter“ fand Stoff für seinen Nachrichtenseite. Zum Abschluss empfahl er wärmsten die wohl sehr eindrucksvollen Fallschirm Tandemsprünge über Himmelfahrt.

Nach ausreichender Pause und bei herrlichem Wetter ging es mit auflaufendem Wasser (West nach Ost) in östlicher Richtung auf der Langeooger Seeseite weiter. Nun begann der Funteil. Die Wellen wurden immer höher, teilweise bis zu 2 Meter und die Brandungszone wurde größer und stärker. Für die Jungend (viel Wildwasser Erfahrung) gab es kein Halten mehr - mitten rein und keine Welle hoch genug. Surfen was das Zeug / Material hält, anschließend auch mit Musik. Das war einfach cool. Es ist sehr beeindrucken, wenn sich Wellen aufbauen, brechen und über das Kajak rauschen oder beim Surfen der Bug des Kajaks sich immer tiefer ins Wasser gräbt.

Ohne Pechvogel, abgebrochenen Bugspitzen oder andere Materialschäden paddelten wir mit großem anhaltenden Spaßfaktor weiter in Richtung Spiekeroog. Matthias super Revierkenntnisse halfen uns sicher durch das Wester- und Süderriff. Um 17:00 erreichten wir planmäßig den Zeltplatz. Kurz geduscht und frischgemacht ging es über die wunderschöne Insel, vorbei an Hasen, Fasanen, Möven und anderen Tieren, zur Pizzeria im Ortszentrum. Das Essen war lecker, die Gespräche interessant und unterhaltsam. Beeindruckend war der Kellner. Wir zahlten getrennt und jeder nannte das Verspeiste. Ohne es zu notieren, der letzte musste noch nicht einmal mehr seine Speisen und Getränke aufzählen, erstellte er fehlerfrei die individuellen Rechnungen. Tag 3 ging zu Ende. Vor dem Inszeltgehen kurze Besprechung für den Abreisetag. Um 08:30 wollten wir am Wasser sein. 

Nach dem stärkenden Frühstück starteten wir in den Tag. Zelte abbauen, die berühmten blauen Taschen füllen, die Klamotten zum Boot bringen, sicher verstauen und einen letzten Blick auf den Wetterbericht werfen. Die Rückfahrt nach Neuharlingersiel verlief, bei tollen Wetterbedingungen, reibungslos. Da nicht nur wir abreisten, knubbelten sich die Kajakfahrenden an der Westrampe. Mit an und abfahrenden Kajakfahrenden konnte ich bis zu 25 Kajaks zählen. Zum Abschluss aßen wir noch ein paar Kugeln Eis. Die Rückfahrt war Stau frei. Gegen 16:30 erreichten wir das Bootshaus. Die Kajaks wurden gereinigt und verstaut. Eine tolle Reise ging zu Ende.

Nicht nur die Nordsee war wieder beindruckend, sondern auch die Teilnehmer der Reise. Wir haben uns blind verstanden. Die unterschiedlichen Stärken und Erfahrungen, sowie ein toller Teamgeist haben die Reise einmalig und sicher gemacht.

Jens

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